Kindheit in Köln


Am 16. September 1931 wird Maria Helene Schwering in Köln geboren. Ihre Familie nennt sie Marlene, später steht dieser Name auch in ihrem Reisepass und in offiziellen Dokumenten.

Sie ist das zweite von vier Kindern der Eheleute Ernst Schwering und Maria Sibylla Schwering (geb. Elshorst). Ihr Bruder Karl Ernst wird 1929 geboren, ihr jüngerer Bruder Hermann 1932, die Schwester Ursula 1935. 1937 wird Marlene eingeschult, im Sommer 1941 kommt sie in die Sexta der Königin-Luise-Schule, einem städtischen Mädchengymnasium. Nach einer kriegsbedingten Unterbrechung des Unterrichts von mehr als einem Jahr nimmt das Gymnasium im November 1945 den Unterricht wieder auf. Im Februar 1951 absolviert Marlene Schwering die Abiturprüfung.

Ihren Großvater, den bekannten Mathematiker Prof. Dr. Karl Schwering (1846 - 1925), nach dem der Karl-Schwering-Platz in Köln-Lindenthal benannt ist, lernt Marlene nicht mehr kennen.

Ihr Vater, der Jurist Dr. Ernst Ferdinand Schwering, ist zunächst Beigeordneter der Stadt Köln. Als Marlene zwei Jahre alt ist, wird er von den Nationalsozialisten des Amtes enthoben und ist fortan bis 1945 als Rechtsanwalt am Amts- und Landgericht Köln tätig. Nach Kriegsende nimmt Dr. Ernst Schwering sein politisches Engagement wieder auf und tritt in die CDU ein. Zunächst ist er Beigeordneter der Stadt Köln, ab 1946 Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der CDU, von 1949 bis 1958 Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister der Stadt Köln. Als Mitglied im nordrhein-westfälischen Landtag ist Ernst Schwering von 1950 bis zu seinem Tod im Jahr 1962 in der Landespolitik aktiv.

Das politische Engagement ihres Vaters prägt Marlenes Kindheit. Als Gegner des Naziregimes führt der Vater mit seinen Kindern den politischen Diskurs und lehrt sie, gegen den Strom zu schwimmen. Auch die politische Verfolgung erlebt Marlene Schwering in ihrer Familie. Sie hilft ihrem Vater, einen Fluchtweg aus dem Haus zu ersinnen und zu bauen, um ihn bei einem möglichen Erscheinen der Gestapo zu retten.

Politisch verfolgt ist auch ihr Onkel Leo Schwering (1883-1971), von dem Marlene später erzählt, dass er der aus dem provisorischen Konzentrationslager in der Messe in Köln-Deutz flieht und sich mit seiner Familie bis zum Kriegsende in einer Höhle im Siebengebirge versteckt. Noch im hohen Alter erinnert sich Marlene Schwering an den Stolz, dem Vater zur Seite zu stehen, aber auch an die fast spielerische Freude, etwas tun zu können und einen Beitrag zu leisten.

Collage von Notizen und Tagebüchern

Kriegstagebücher als stumme Zeitzeugen

In ihren Kriegstagebüchern äußert sie sich immer wieder kritisch über Krieg und Gewalt. Manche Äußerungen zensiert sie anschließend selbst, streicht ganze Passagen oder schneidet sie aus. Auch dies ist möglicherweise eine Auswirkung der drohenden Verfolgung durch die Gestapo.

Die Familie Schwering überlebt die zahlreichen Bombenangriffe auf Köln. Marlene erinnert sich später besonders an die Nacht vom 30. Oktober 1944, in der sie als 13-jährige mit ihrem Leben abschließt. Im Luftschutzkeller des Marienhospitals in Köln, der Boden stampft wie ein Schiff auf schwerer See, die Luft ist zu staubig zum Atmen, übersteht die Familie den Fliegerangriff. Nach dieser existenziellen Erfahrung kommt ihr das Leben vor wie ein Geschenk. Die Erinnerung daran und das Gebet in der Nacht mit den Ordensschwestern sollten sie für ihr Leben prägen.


„Man war eben den Naziquatsch gewohnt, gewohnt leise zu sprechen und den Kopf einzuducken wenn man über Politik sprach. Gewohnt die Heeresberichte und die Hetzereien in Schule und H.J. nicht zu glauben. Und heute geht’s auf einmal los: „Demokratie! Demokratie, Demokratie!“ Die machen uns noch verrückt mit dem Wort.“ (Tagebuch Marlene Schwering, 10. Februar 1946)